Ein Politiker in Delmenhorst

Ansichten, Vorschläge, Meinungen und alles andere was einem Politiker in Delmenhorst einfällt.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Ich bleibe.

Infostand zur Kommunalwahl 2011
Nach ganz vielen, teilweise an der Grenze des Erträglichen liegenden Blogposts von Menschen, die beschlossen haben zu gehen, möchte ich hier einmal etwas Positives beitragen und schreiben warum ich bleibe. Und um das zu erläutern, werde ich einmal ein wenig weiter ausholen.

1988 bin ich, einem mehr oder weniger spontanen Entschluss folgend, in die SPD eingetreten um endlich etwas gegen die Koalition der "geistig-moralischen Wende" zu tun, deren Auswirkungen wie ein schwerer, bleierner Teppich auf der gesamten Gesellschaft lagen. Anfangs ein wenig misstrauisch beäugt, wurde ich dann relativ schnell akzeptiertes Mitglied meines Ortsvereins und des Unterbezirks in Delmenhorst. Delegationen und Ämter wurden einem auf der untersten, Ortsvereinsebene relativ schnell angetragen und 1991 habe ich das erste Mal für den Delmenhorster Stadtrat kandidiert.
Plakate zur Bundestagswahl 2009
Wollte man sich allerdings ein wenig weiter "entwickeln" und auf der höheren Ebene anklopfen, schlug einem schnell das wahre Gesicht der hier Engagierten entgegen. Denn tatsächlich ist das, was nach außen die mitfühlenden Sozialdemokraten mimt, in Wahrheit eine Schlangengrube von persönlichen Interessen, Seilschaften, ausgeküngelten "Proporz" und macht selbst vor den schmutzigsten politischen Tricks nicht halt. Intern. Hinter den verschlossenen Türen. Was mich immer wieder verwundert hat, ist, dass mit dem politischen Gegner, sei es die CDU, die FDP oder all' die anderen, fairer umgegangen wird, als mit den eigenen Mitgliedern. 
Nach der Geburt meiner Tochter 1995 habe ich mich dann aus der aktiven Politik zurückgezogen und bin dann während der Schröderära vollkommen desillusioniert auch aus der SPD ausgetreten. Die unsäglichen Hartz-Reformen, das aus dem propagierten "Fordern und Fördern" eine Verwaltung des Notstands geworden ist, all das konnte und wollte ich nicht mehr vertreten müssen. 

2006 konnte ich dann, ich denke es war auf GOLEM, von der Gründung der Piratenpartei in Deutschland lesen. Interessanter Ansatz, dachte ich mir seinerzeit, aber damals konnte ich mir eine Mitarbeit eher nicht vorstellen, zu Abstrakt und zu weit weg schien mir das ganze zu sein. Eher sympathisierte ich zur der Zeit mit der 2007 gegründeten Linkspartei. Das Programm war ansprechend, allerdings war der Umgang untereinander offensichtlich noch unterirdischer als bei der SPD. Also war ausser Schnuppern tatsächlich nichts gewesen.

Mein nächste Kontakt zur Piratenpartei war dann zur Europawahl 2009. Die stehen auf dem Wahlzettel! Die gibt es immer noch! Die wähle ich! Das waren die Gedanken in der Wahlkabine, als ich meinen Wahlzettel betrachtete, unschlüssig, welchem Elend ich meine Stimme geben soll. Und gleich danach habe ich mich zu Hause informiert und die ersten Kontakte geknüpft.
LPTNDS 2009 in Langenhagen

Die Themen wie Transparenz, Bürgerbeteiligung, die Zensursula Sache, das mit dem Postgender, der freiheitliche, liberale Ansatz, die Mitmachpartei - alles das waren Dinge, die mir aus dem Herzen sprachen. Die Ablehnung einer Quote - genau das war der richtige Weg.

Seinerzeit gab es in Oldenburg und Bremen aktive Piraten und am 11.09.2009 konnten wir unseren ersten Stammtisch in Delmenhorst mit über 10 Interessierten abhalten und seit dem Tag bin ich Pirat. Diese Partei war etwas, was einen hineinzog wie ein Strudel. Und durch den "machen statt labern" Ansatz konnten wir hier Dinge verwirklichen, die in anderen Parteien Jahre gedauert hätten - wenn es denn überhaupt möglich gewesen wäre. Schnell fand sich in Delmenhorst ein fester Kern, der, mit einigen Änderungen bis heute aktiv ist. Die Zeit des Aufbaus der Organisation war spannend, aufreibend und teilweise chaotisch, aber immer, wenn man Piraten traf, spürte man eine gewisse Verbundenheit und auch an den rauen Ton auf den Mailinglisten oder bei Twitter gewöhnte man sich rasch. Wer seinen ersten richtigen Shitstorm überlebt hat, den erschüttert so schnell nichts mehr.
LPTNDS 2011 in Delmenhorst

Einer unserer Höhepunkte war der erste Landesparteitag, den wir in Delmenhorst 2011 abhalten durften. Hier im com.media tagen zu dürfen, davon reden die "alten" Piraten in Delmenhorst heute noch. Wir haben seinerzeit "Big" Arne Hattendorf zum Landesvorsitzenden gewählt, meinen Vorgänger. Da habe ich zu der Zeit überhaupt nicht drüber nachgedacht. An unserem Programm haben wir gefeilt und am Ende alle zusammen abgebaut. Und dieses "Zusammen" prägt für mich bis heute diese Partei. Es gab damals noch nicht diese "Gate" Kultur, wie sie uns in den beiden folgenden Jahren das Leben schwer machen sollte und einen manchmal fast an der Partei verzweifeln ließ. Bei der folgenden Kommunalwahl konnten wir dann unser erstes großes Ziel erreichen und mit 4,7% der Stimmen in Fraktionsstärke in den Stadtrat einziehen. 

Im folgenden Jahr hatte ich dann im Landesvorstand unter anderem die Aufgabe die Landtagswahl 2012 vorzubereiten. Und wenn ich je daran gedacht habe, diese Partei zu verlassen, dann war es zu der Zeit. Der Mitgliederboom 2011/12 hatte uns eine Menge von "schwierigen" Personen in den Landesverband gespült, man hatte (und ich denke das heute noch) teilweise den Verdacht, dass hier absichtlich Leute geschickt worden um uns zu schaden. Teilweise habe ich nächtelang nicht geschlafen, so hat mich die Sache um die gescheiterten Aufstellungsversammlungen in Nienburg und in Wolfenbüttel mitgenommen. 
Wahlplakat zur Bundestagswahl 2013
An manchen Tagen haben Thomas und ich einfach nur noch "den Job" gemacht, weil es sein musste, nicht weil wir auch nur ansatzweise noch konnten oder wollten. Aber: Wir haben das durchgezogen. Und bei all' dem Gegenwind aus dem Bund (ich möchte nur an die unsäglichen Streitereien um Johannes erinnern) und den selbstgemachten Leiden, haben wir doch einen engagierten Wahlkampf hingelegt und im Nachhinein sieht das Ergebnis heute auch nicht mehr ganz so katastrophal aus.
Aber am Ende haben wir auch diese, schwierige Zeit durchgestanden. 

Open Air Plakatieren in Bremerhaven
Im Dezember 2013 dürften wir dann in Bremen einen neuen Bundesvorstand wählen. Für mich ist dieser Bundesparteitag der Wendepunkt der Parteigeschichte. Wie aus dem Nichts wurde Thorsten für viele völlig überraschend zum Bundesvorsitzenden gewählt. Wer da im Hintergrund die Strippen gezogen hat, sollte sich (für mich) erst viel später zeigen. Mit dieser Entscheidung waren anscheinend gewisse Gruppen innerhalb der Partei der Meinung, sie hätten nun die Oberhand gewonnen. Ausprägungen wie das #flaggengate in Bochum oder auch die Bomber Harris Aktion im Februar waren die sichtbarsten Zeichen, dass hier Pflöcke eingerammt werden sollten und die Piratenpartei stramm auf einen anarchistischen, feministischen, ultralinken ja fast K-Gruppen ähnlichen Kurs gebracht werden. Texte wurden auf einmal gegendert, es wurde von Pirat*innen und jemensch gesprochen. Quoten wurden diskutiert, Posten innerhalb der Peergroup hinter verschlossenen Türen vergeben. Hier stellte sich jetzt für alle gemäßigten Teile der Partei - und das waren zu der Zeit sicherlich 2/3 der Mitglieder - die Frage, wollen wir um unsere freiheitliche Netzpartei kämpfen oder gehen wir. 
Da ich inzwischen ein Mandat für die Piraten bekleide und wir, gerade in Delmenhorst, zu viel aufgebaut hatten um es einfach wegzuwerfen, sind wir geblieben und konnten zum Glück in Halle den Kurs der Partei wieder richten. Seitdem hagelt es Blogposts der Plattformer, die gehen und uns bleibenden wahlweise eine rechte Gesinnung, fehlende politische Bildung oder auch Querulantentum vorwerfen. Wir wären unpolitisch und programmatisch würden wir nichts voreinander bekommen. Immerhin wären ja alle programmatischen Impulse der letzten Jahre aus ihren Reihen gekommen. 
Da kann ich nur drauf antworten: Klar, wenn auf einem BPT nur 5 Anträge behandelt werden, alle anderen niedergeschrien oder von der (von Plattformern besetzten) Versammlungsleitung nicht aufgerufen werden, dann sind natürlich programmatische Impulse, wie z.B. Weltraumaufzüge oder Zeitreisen, nur von der Peergroup gekommen. 
Stadtmesse in Delmenhorst 2011
Wird uns dieser Impuls fehlen? Hmm, ja. Ich denke ein Teil unserer Pluralität ist uns abhanden gekommen. Und nicht alle, die jetzt meinten gehen zu müssen, waren Schreihälse oder unverbesserliche Egomanen. Ein Teil der Piraten, die ich auch geschätzt habe, ist jetzt weg. Aber: Wir als Partei gehen gestärkt hervor. Die Marke ist beschädigt, ja, aber nicht zerstört. Ich habe oft gehört, dass, wenn wir unsere Probleme in den Griff bekommen, wir wieder wählbar sind. Wir sind dabei. Wir bekommen das in den Griff. Da bin ich jetzt zuversichtlicher denn je. Wir, die wir bleiben, arbeiten jetzt strukturiert und ruhig an unserer Partei. Überall kommen alte, vergraulte Piraten zurück. Die AG's erwachen wieder zum Leben. Wir sind noch da. Und wir werden wiederkommen. Und deshalb bleibe ich. Weil ich dabei mitmachen möchte. In der Mitmachpartei.

Freitag, 3. Oktober 2014

Das mit dem Hut

"Seinen Hut in den Ring werfen": Wenn sich jemand auf eine Auseinandersetzung einlässt oder den Kampf um ein Amt aufnimmt, dann sagt man: "Er hat den Hut in den Ring geworfen." Natürlich denkt man an den ähnlichen Ausdruck "das Handtuch werfen". Im Boxsport tut das der Betreuer eines Boxers, um zu zeigen, dass man aufgibt. Sehr wahrscheinlich hat diese Redensart die Hut-Wendung beeinflusst, die freilich auf ältere Bräuche zurückgeht.

Der Hut – wie Kopfbedeckungen überhaupt – repräsentiert seit alters für die ganze Person. Wenn also jemand den Hut in den Ring wirft, dann wirft er ihn gleichsam nur voraus nach dem Motto: "Ich komme gleich, um zu kämpfen." Quelle

Nun trage ich zwar keinen Hut, werfe ihn aber trotzdem symbolisch in den Ring. Ihr habt gefragt und ich habe versprochen es mir zu überlegen. Lange. Reiflich. Mit Freunden gesprochen, mit der Familie. Übereinstimmend kam als Antwort: "Du mußt das machen." 

Nun gut. Dann sei es so. Ich werde mich am 01.11. in Gifhorn für das Amt des Vorsitzenden der Piratenpartei Niedersachsen bewerben. Und wenn ihr möchtet, könnt ihr mich wählen.

Warum mache ich das?
Zum einen, weil mir die Partei immer noch wichtig ist und einen hohen Stellenwert in meinem Leben einnimmt. Zum anderen, weil wir in 2016 Kommunalwahlen haben und wir viel arbeiten müssen, um den Landesverband wieder so weit auf Kurs zu bekommen, dass wir gut abschneiden und zumindest unsere Mandate verteidigen, wenn nicht mehr. Die nächsten zwei Jahre müssen wir den vielleicht wichtigsten Wahlkampf in der Geschichte unseres Landesverbands vorbereiten und professionell durchziehen. Daher möchte ich Euch auch sehr ans Herz legen, dem Satzungsänderungsantrag für die Verlängerung der Amtszeit des Vorstands zuzustimmen. 

Kommunalpolitik ist nicht alles - aber ohne Kommunalpolitik ist alles sehr viel schwerer.
Wir können unsere Ziele nur erreichen, wenn wir vor Ort bei den Menschen ankommen und ein Ohr für unsere Themen finden. Wenn wir in den Räten gute und verlässliche Arbeit leisten und die Bevölkerung sieht, dass wir durchaus mit Ernst bei der Sache sind. Dort wo wir kommunalpolitisch aktiv sind, ist es wesentlich einfacher auch andere Themen zu transportieren. Und auch die Pressearbeit ist effektiver. Daher muß unser Ziel sein, bei den anstehenden Kommunalwahlen möglichst gut abzuschneiden.

Aber ist das denn nicht alles viel zu viel für Dich?
Ja. Es wird fast zuviel sein. Und wenn Haushaltsberatungen anstehen, kann es sein, dass ich auch mal weniger Zeit für den Lavo habe. Dafür bitte ich schon im Vorfeld für Verständnis. Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass wir endlich wieder mehr Leute im Lavo brauchen, die entscheiden können und handeln, auch wenn es manchmal unbequem ist. Und Tickets kann man asynchron bearbeiten, Lavo-Sitzungen dürfen gerne auch mal am Wochenende sein. 
Und: Ich werde ein politischer Vorstand sein. War ich immer - werde ich immer sein. Politik betrifft so viele Bereiche unseres Lebens, wie kann man sich dann selber als unpolitischen, verwaltenden Vorstand sehen? 

Aber Ihr habt doch 2012 auch Fehler gemacht!
Ja. Haben wir. Auf jeden Fall. Weil - wer handelt macht Fehler. Einige Dinge würde ich heute nicht mehr tun, z.B. offene Briefe schreiben. Aber gewissen Leuten die Kandidatur aberkennen, oder die Einheit des Landesverbands gegen andere verteidigen - Ja, das würde ich immer und immer wieder machen. Immerhin haben wir probiert, langfristige Strukturen aufzubauen, die zum Teil heute noch funktioneren. Und eine meiner Aufgaben wird es sein, die vorhandenen Strukturen zu stärken und vielleicht neue zu generieren. Ich würde gerne die Stammtische besuchen und probieren neue ins Leben zu rufen. 

Anpacken - machen statt labern - das piratige Mandat wieder wahrnehmen. Das wird das Motto der nächsten zwei Jahre sein. 

Ich weiß, dass ich nicht immer everybodies Darling bin, dass ich manchmal Ecken und Kanten habe. Aber, wer mich kennt, weiß auch, dass ich nicht nachtragend bin und mit allen rede, die dieses wollen. Und das ich mich nicht verstecke, wenn es brennt. 

Und es gibt soviel zu tun:

  • die politische Arbeit im Landesverband muß wieder stattfinden, unter anderem sollten sich die AGs wieder finden.
  • ein Wahlkampf muß geplant werden.
  • Kandidaten gefunden und geschult werden.
  • Wir müssen uns wieder zeigen, laut und unangepasst nach aussen, diskursorientiert und fair nach innen.

Mit einem guten Team - und das sehe ich gerade am Horizont entstehen - werden wir das gemeinsam schaffen können. Zusammen. Wir

Nachtrag vom 05.10.

Auf Wunsch hier kurz mein "piratiger" Lebenslauf

  • Pirat seit dem 11.09.2009
  • Gründungsvorsitzender des SV Delmenhorst von 03.2010-03.2012
  • 02.2012- 02.2013 Vorsitzender des Landesverbands Niedersachsen
  • Seit 10.2012 Ratsherr und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat von Delmenhorst